Was ist Yin Yoga?

Alexandra Schmitz

Yin Yoga ist ein Yoga Stil, der sich in den 1980er Jahren in Amerika als Gegenpol zum in den 1960er-1970er populären und kraftvollen Vinyasa Yoga entwickelt hat. Impulsgeber war Paul Grilley, der sich bei seinem sehr flexiblen Lehrer und „Martial Artist“, Paulie Zink, die Flexibiltät abgeschaut hat. Später kam Sarah Powers hinzu, die mit weiteren Übungen den Yin Yoga Stil in der heutigen Form mitprägte. 

Entwickelt hat sich Yin Yoga aus dem Tao Yoga. Die Philosophie besagt, dass sich polare Gegensätze und Kräfte ergänzen. Yin steht für weibliche, weiche, dunkle, kalte, langsame, sanfte usw. Prinzipien. Yang steht für männliche, harte, helle, warme, dynamische Prinzipien.  Zusammengefasst ist die Essenz von Yin Akzeptanz, von Yang das Handeln. Dabei kann das Eine nie ohne das Andere existieren, oder anders gesagt, im Yang ist immer Yin und im Yin immer Yang. Übertragen auf Yin Yoga könnte man sagen, dass der Yoga Stil nicht holistisch betrachtet werden kann, denn Yin Yoga entfaltet seine Wirksamkeit nur zusammen mit einem Anteil Yang, Dynamik, Wärme etc. Yin gibt es nicht ohne Yang und ganzheitlich wirksam können beide Stile zusammen wirken, wenn sie z.B. im Wechsel praktiziert werden.

Yin Yoga ist ein passiver Yoga- Stil, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Positionen oder Asanas lange in einer Position passiv „eingehalten“ werden. Der Teilnehmer begibt sich im Idealfall in die Asana mit Hilfe von vielen Hilfsmitteln, wie Kissen, Blöcken oder Gurten, so dass eine Zielregion herausgestellt wird, die besonders angesprochen werden soll. Dabei werden bestimmte Zielregionen zunächst gedehnt, indem sich der Praktizierende in die Asana (Position) begibt und sich in dieser hingibt, weich wird und sowohl die Zielregion, den Körper und sogar den Geist und die Gedanken loslässt. Im Gegensatz zu kraftvoll und bewegt ausgeführten Yogastilen, kann Yin Yoga dem Körper, dem Organismus oder dem System des Menschen dazu verhelfen in sehr tiefe Ruhe zu kommen.

Im Yin Yoga spielen daher die drei „Entspannungsgesetze“ auch eine Rolle. Im Yin Yoga werden bei einer Intensität von 60-70 %, Asanas für 3- 8  Minuten gehalten. Ein Muskel, der 10 Minuten angespannt und gedehnt wird, ist entspannt. Ein Muskel, der mind. 10 Sekunden gedehnt wird, entspannt auch. Ein Muskel, der bewusst gespürt wird, fängt auch an sich zu entspannen. Somit spielt der Entspannungsaspekt für Menschen, die Yin Yoga machen, eine wichtige Rolle.

Ziel auf der körperlichen Ebene ist, dass passiv in kalte, d.h. nicht aufgewärmte Strukturen gedehnt wird, um gezielt das Fasziengewebe/ Bindegewebe anzusprechen. Das Bindegewebe ist im kalten und unbewegten Zustand „verfilzt“. Da der Körper im Yin Yoga nicht aufgewärmt wird, wird bewusst das Fasziengewebe angesprochen, wobei man durch langes Halten der Asanas in tiefe Gewebsschichten gelangt. Das Bindegewebe wird dadurch bewegt, „entfilzt“ und mobilisiert, Ablagerungen können sich lösen, das umliegende Gewebe wird angesprochen, was die Gesamtbeweglichkeit der Zielregion und des menschlichen Körpers insgesamt verbessert und sogar verhärtete Strukturen löst. 

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und mittlerweile auch die westliche Medizin sprechen dem Bindegewebe besondere Funktionen und Aufgaben zu. So verlaufen durch das Bindegewebe Bahnen, oder Meridiane die durch einen höheren Anteil von Hyaluronsäure gekennzeichnet sind. Man geht davon aus, dass sich durch die Bahnen Energiefluss oder Chi bewegt. Durch die Aktivierung von Bindegewebe erhöht sich der Energiefluss im Körper, was wiederum zu mehr Vitalität führt.

Nicht nur die Faszien werden beim Yin Yoga angesprochen, sondern auch die Gelenke. Die acht Hauptgelenke sind das Handgelenk, der Ellenbogen, die Schulter, der Hals/ die HWS, die LWS, das Becken, die Knie / Oberschenkelgelenke, die Fußgelenke. In der Yin Yoga Asana geht man bis an die Gelenkgrenze, oder anders gesagt bis hin zur Kompression von Gelenken und setzt somit einen sanften Reiz im und am Gelenk. Dies kann dazu führen, dass die Durchblutung und damit Versorgung des Gelenkes und des  umliegenden Gewebes gesteigert wird und Nährstoffe aber auch ggf. Hyaluronsäure am Gelenk gebildet werden kann, was die Beweglichkeit und Funktionalität des Gelenkes verbessern kann. 

Yin Yoga bringt somit viele Vorteile mit sich, die dem Menschen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen. Yin Yoga bietet aber noch weitere Vorteile, denn der Yogastil kann auch dazu Anreize setzen, sich auf einen anderen oder bewussteren Lebensstil zu konzentrieren. Mit dem Fokus auf Entspannung, Ruhe und Selbstfürsorge ist Yin Yoga eine wichtige Ergänzung für unseren Lebensalltag der überwiegend Yang (durch Bewegung, Leistungsorientierung) geprägt ist. 


“Our Yoga practice should be alive and adaptable to our needs as we go through the seasons of our lives.” 
― Paul Grilley